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DIN 743 pozitive/negative Biegespannung
Hallo Kollegen,
Es ist mir immer noch unklar, ob ich bei der Berechnung von der Sicherheit und der Vergleichsspannung die Biegemoment positiv oder negativ einsetzen soll, wenn ich als Schnittsgröße ein negatives Biegemoment an der Kerbestelle habe. Bei Zug/Druck setzt man je nach der Art der Spannung + oder - ein, aber bei Biegung ist leider nicht klar. Für jede Antwort würde ich sehr dankbar.
Danke im voraus =)
außer natürlich, wenn es sich um eine reine Druckkraft handelt. Setze ich die Druck-Amplitude (Sigma_zd_a) bei der Formel für die Sicherheit (Dauerfestigkeit) positiv oder negativ ein? Ich dachte Amplituden (Ausschläge sind grundsätzlich positiv einzusetzen, auch wenn es sich um Druckbelastungen handelt).
Richtig, hätte ich vielleicht spezialisieren sollen: die Zug-/Druck-Mittelspannung ist bei Druck negativ, die Amplituden sind auf jeden Fall immer positiv zu setzen, da die kritische Belastung ja wiederum in Zugrichtung auftritt.
Hallo, da hätte ich jetzt auch eine Frage dazu. In der DIN 743-1 unter 4.2, Tabelle 1 steht: "ANMERKUNG Im Druckbereich sind Sigma_zdm und Sigma_bm negativ" Wie würdest dann die Vergleichspannung berechnen, mit de Formel (23) oder rechnet man das Sigma_mv mit den Gleichungen die unter Sigma_zdm + Sigma_bm < 0 stehen, weil dies ja zutrifft wenn man Sigma_bm laut Tabelle 1 negativ einsetzt?
Als erstes muss ich sagen, ich kann generell nicht empfehlen, die Spannungen mit der von dir erwähnten Tabelle im ersten Teil der DIN743 zu berechnen. Man sollte eine DIN743-Berechnung immer im zweiten Teil anfangen, wo man sich seinen Kerbfall raussucht. Dort stehen bei jedem Kerbfall (eher ganz unten) Formeln zur Berechnung der Nennspannungen für diese Kerbe, und vor allem auch eine Skizze, die dir dabei hilft, diese Spannungen mit den richtigen Abmessungen der Welle/Kerbe auszurechnen. Das ist nämlich nicht so trivial wie man vielleicht meinen möge, schau dir nur die Formeln bei der Querbohrung an, auf sowas kommt man mit der Tabelle 1 in DIN743-1 nicht. Bei den experimentell bestimmten Kerbwirkungszahlen liefert dir die Skizze auch noch einen ganz wichtigen weiteren Wert, den du für die weiteren Berechnunen brauchst: Den Bezugsdurchmesser der Kerbe, d_BK. Der Wert des Bezugsdurchmesser ist auch irgendwo angegeben, aber die Skizze ist für das Verständnis eigentlich noch wichtiger: Den Durchmesser im Kerbquerschnitt, bezeichnet in den Formeln mit einem kleinen d, musst du genauso wie den Bezugsdurchmesser der Kerbe bestimmen. Eine Überlegung: Wenn dein Durchmesser im Kerbquerschnitt d gleich deinem Bezugsdurchmesser d_BK ist, müssen alle Größenfaktoren gleich 1 sein, denn dann entsprechen deine Wellenabmessungen ja genau jenen Abmessungen, die für die experimentelle Bestimmung der Kerbwirkungszahl benutzt wurden. Bei der Passfederverbindung ist der Bezugsdurchmesser in der Skizze der AUßENdurchmesser der Welle, also musst du als deinen Durchmesser im Kerbquerschnitt ebenfalls deinen Außendurchmesser verwenden. Bei der alten Version der DIN743 wurde d noch als Durchmesser im Kerbgrund bezeichnet, weswegen viele dann den Durchmesser der Welle bis zum Boden der Passfedernut als d genommen haben...
Soweit einmal zu dem :D Zurück zu deiner Frage: Wenn man sich die Formeln für die Bauteilwechselfestigkeiten 5-7 im ersten Teil anschaut, erkennt man, dass diese immer positiv sind, da alle Faktoren darin immer positiv sind: Technologischer/geometrischer Größeneinflussfaktor, Materialkennwerte, Kerbwirkungszahl, Einflussfaktor der Oberflächenrauheit/-verfestigung. Die Mittelspannungsempfindlichkeiten, Formeln 20-22, sind ebenfalls immer positiv, da die (doppelte) Zugfestigkeit immer viel größer als die Wechselfestigkeit ist.
Wenn jetzt die Summe aus Zug-/Druck-Mittelspannung und Biegemittelspannung negativ ist, ist mit der abgeänderten Formel für die Vergleichsmittelspannung zu rechnen. An der Formel erkennt man: H ist der Term, der in Formel 23 unter der Wurzel steht, nur würde jetzt ein Minus vor (sigma_zdm+sigma_bm)^2 stehen. H ist also auf jeden Fall kleiner, wenn (sigma_zdm+sigma_bm) negativ ist und kann auch als ganzes negativ werden, wenn tau_tm entsprechend klein oder gar null ist. Das Konstrukt mit H/|H| und dem Betrag von H unter der Wurzel stellt sicher, dass sigma_mv negativ ist wenn H negativ ist und man immer noch die Wurzel im reellen ziehen kann. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass sigma_mv kleiner (evtl. sogar negativ) ist, wenn (sigma_zdm+sigma_bm) negativ anstatt positiv ist.
In den Formeln 10-12 zur Berechnung der ertragbaren Amplituden sieht man, dass die ertragbaren Amplituden höher sind wenn die Vergleichsmittelspannung kleiner ist (eh logisch). Wenn jetzt also (sigma_zdm+sigma_bm) negativ ist, ist sigma_mv kleiner, damit werden die ertragbaren Amplituden größer und damit wird deine Sicherheit größer. Also ist das ein vergleichsweise unkritischer Fall. Wenn du jetzt aber eine Umlaufkerbe (Absatz, Rundnut, etc...) hast, oder zumindest eine Kerbe, die symmetrisch zur Wellenachse liegt (wie das bei der Querbohrung der Fall ist), wirst du immer einen auf Zug beanspruchten Teil der Kerbe haben (wir reden jetzt natürlich nur von Biegung). Wenn sich deine Welle dreht und du eine Umlaufbiegung hast (siehe z.B. Bild A.2 im ersten Teil der DIN743), sich deine Biegung also nicht mit der Welle mitdreht, ist sogar diese Symmetrie irrelevant, da dann abwechselnd auf Zug und Druck beansprucht wird. Daher ist sigma_bm prinzipiell positiv zu setzen, um den kritischen (relevanten) Fall zu berechnen.
Der scheinbare Widerspruch mit Tabelle 1 ist so zu erklären: natürlich muss man formal die Spannung in jenem Kerbquerschnitt ansetzen, den man berechnen will. Wenn man jetzt also meint, man muss sich die Sicherheit auf der druckbelasteten Seite ausrechnen, muss man halt sigma_bm negativ einsetzen. Es wird aber immer eine höhere Sicherheit rauskommen.
Auf die schnelle kann ich nur an einen Fall denken, bei dem man sigma_bm negativ setzen würde: Bei einer Welle mit Passfedernut, die entweder nicht rotiert oder wo das Biegemoment mit der Welle umläuft und die Welle im Passfederquerschnitt auf der Seite der Passfedernut dadurch permanent auf Druck beansprucht wird. Dann müsste es aber immer noch eine Amplitude geben, damit eine Sicherheit gegen Dauerbruch für die Biegebelastung überhaupt berechnet werden kann. Dann kann man auch mit höheren Sicherheiten rechnen. Prüfungsrelevant halte ich das aber für kaum...
Nachtrag für Fall 2: Wenn sigma_mv kleiner wird, wird der Nenner in den Formeln 15, 16 ebenfalls kleiner, wodurch die ertragbaren Amplituden auch in Fall 2 wieder zunehmen, mit demselben Ergebnis wie vorher.
Erstens, danke für deine sehr umfangreiche Antwort!
Laut deiner Erklärung heißt das für mich, dass bei vorhandener Druckspannung (Sigma_zdm (negativer Wert)) und einer Biegespannung(Sigma_bm (positiver Wert)), die Vergleichsspannung (Sigma_mv) kleiner ist als wenn nur eine Biegespannung auftritt. Daraus folgt das eine Druckspannung ein größeres Sigma_ADK bewirkt und somit die Sicherheit vergrößert?
Schlussfolgerung, wenn ich einen Biegeträger auf Druck belaste, kann ich ihn stärker auf Biegung beanspruchen als wenn keine Druckbeanspruchung vorliegt.
Wenn du den Träger zyklisch belastest und der Druck statisch ist, ja. Wir sprechen hier von Dauerbrüchen, zur Erinnerung. Die Sicherheit gegen Gewaltbruch würdest du durch eine zusätzliche Druckbelastung verringern. Ganz zu schweigen, dass du zusätzlich die Sicherheit gegen Knicken beachten musst, was bei der DIN743 allerdings nicht berücksichtigt wird.
Bei Wellen wird diese zusätzliche ertragbare Amplitude durch eine Druckbelastung manchmal so genutzt, indem man eine Welle mit einer angestellten Lagerung in X-Anordnung auf Druck vorspannt.
Das alles klingt logisch bis auf den Punkt mit der Sicherheit gegen Gewaltbruch. Wenn ich das Sigma_zdmax negativ (wegen der Druckbelastung) und das Sigma_bmax positiv in die Formel 25 für die Sicherheit einsetze, dann wird doch der Nenner kleiner und somit die Sicherhet größer?!
In Gleichung 25 geht es um die Sicherheit gegen bleibende Verformung. Wenn also sigma_zdmax über die Fließgrenze hinaus geht, wird das Material nicht mehr elastisch sondern plastisch verformt. Rein vom Gefühl her würde ich sagen, dass die Fließgrenze bei Druckbelastung (vom Betrag her) höher ist als im Zugbereich. Wenn man also die Fließgrenze bei Druckbeanspruchung gleich jener bei Zug setzt, ist man auf der sicheren Seite, so wie das auch in Tabelle A.1 auf Seite 21 angemerkt ist.
Jetzt eine rein logische Überlegung: Bei der Sicherheit gegen bleibende Verformung geht es darum, wie nahe deine Belastung an der Fließgrenze ist. Du schaust dir also das Verhältnis von tatsächlicher Spannung zu Fließspannung an. Dann müsstest du eine negative Druckspannung aber auch mit der negativen Fließgrenze ins Verhältnis setzen. Dann kannst du aber auch gleich beide Größen positiv in den Bruch einsetzen, noch dazu, da du ja die Fließgrenze bei Zug und Druck vom Betrag her gleich groß annimmst.
Vielleicht ein Gedankenexperiment dazu: Man nehme an, eine Drucklast führt zu einem sigma_zdmax das vom Betrag her genau der Fließgrenze sigma_zdFK ist. Wenn du dem jetzt noch eine Biegung überlagerst, wird die Fließgrenze auf der durch die Biegung druckbelasteten Seite auf jeden Fall überschritten. Wenn du jetzt also sigma_zdmax negativ einsetzt, ist sigma_zdmax/sigma_zdFK= -1, und wenn 0<sigma_bmax<sigma_bFK (beides positiv) ist, ist0<sigma_bmax/sigma_bFK<1. Bei einer Erhöhung der Biegelast würde sich sigma_bmax erhöhen, wodurch die Summe der beiden Verhältnisse größer wird. Da diese Summe aber quadriert wird, wird das Quadrat dieser Summer kleiner, wodurch die Sicherheit bei einer Erhöhung der Biegelast zunehmen würde, was ein Widerspruch ist.
Bei einer Druckbelastung, der eine Biegung überlagert ist, wäre also die Druckseite für die Sicherheit gegen Fließen die kritische Stelle. Dann kannst du aber gleich alle Größen positiv einsetzen und kommst auf das gleiche Ergebnis, da du ja auch gleiche Fließgrenzen für Zug und Druck (vom Betrag) annimmst.
Stefan @Futschigama
Maschinenbau · Technische Universit...
Kurze Antwort: Alle Belastungen immer positiv einsetzen, außer bei reinem Druck negativ.
Lange Antwort: Ein Biegemoment verursacht Zugspannungen über der neutralen Faser und Druckspannungen darunter, siehe angehängte Skizze. Wenn du jetzt also ein negatives Biegemoment hast, hast du nur Zug- und Druckspannungen auf der jeweils anderen Seite, die Belastungen ändern sich dadurch aber nicht. Überleg einmal so: Die Festlegung bei der Schnittkraftberechnung, wann ein Biegemoment positiv und wann es negativ ist (positives und negatives Schnittufer) ist eigentlich willkürlich und könnte genauso gut umgekehrt werden. Eine Änderung dieser Konvention kann aber keine unterschiedlichen Materialverhalten bewirken.
Für den speziellen Fall, dass sich die Welle auch noch dreht, wechseln sich die Ober- und Unterseite sozusagen gegenseitig ab und ist einmal auf Zug und dann wieder auf Druck beansprucht. Diese zyklische Belastung kann, wenn sie groß genug ist, zu Materialermüdung führen: kleine Mikrorisse im Material werden bei jedem Zyklus immer ein wenig weiter aufgerissen, bis einmal die kritische Risslänge erreicht ist und es zum Bruch kommt, siehe auch Skripten zu Werkstoffwissenschaften. Ein solchen Bruch nennt man dann einen Dauerbruch, und die Sicherheit gegen einen solchen Bruch ist genau das, was man sich mit der DIN 743 ausrechnen kann.
Daraus folgt auch: Bei einer statischen Belastung, bei der sich die Welle nicht dreht und auch die Kräfte selbst sich nicht zyklisch ändern, kann es nicht zu einer Materialermüdung und dadurch zu einem Dauerbruch kommen. Man muss dann nur die Sicherheit gegen Gewaltbruch, also gegen einen Bruch aufgrund zu hoher Belastung, der sofort bei Auftritt dieser Belastung eintritt, berechnen.
Weiters können wir überlegen: Dadurch, dass ein Dauerbruch durch das zyklische Dehnen des Materials und der damit verbunden Aufweitung von Mikrorissen zustande kommt, sind Druckspannung im Vergleich zu Zugspannungen unkritisch. An den in der DIN 743 angegeben Formeln zur Berechnung der Spannungen ist ersichtlich, dass Zugspannungen bei Einsetzen der POSITIVEN Belastungen zustande kommt. Daher sind alle Belastungen prinzipiell positiv zu setzen, außer natürlich, wenn es sich um eine reine Druckkraft handelt.